Der Fluch der Moderne

Frueher war alles anders - da lebte man im Hier und Jetzt. Das war so in den 70ern und 80ern. Ganz frueher natuerlich auch! Im Mittelalter. Da hatte man seine eigene Kapelle auf der Burg oder Leute musizierten sich selbst etwas zu Hause mit dem Spinett.…

Posted by eumel8 on October 24, 2009 · 5 mins read

Frueher war alles anders - da lebte man im Hier und Jetzt. Das war so in den 70ern und 80ern. Ganz frueher natuerlich auch! Im Mittelalter. Da hatte man seine eigene Kapelle auf der Burg oder Leute musizierten sich selbst etwas zu Hause mit dem Spinett.

Dann kam die Zeit der Videorecorder. Es gab 2-3 heimgebraeuchliche Standards, was soviel hiess wie VHS (ist auch beschrieben unter http://de.wikipedia.org/wiki/Video_Home_System). Die Kassetten waren 180 Minuten lang oder 240. Da passten irgendwie 2 Spielfilme drauf. Die Filme bekam man vom laufenden Fernsehprogramm und das Fernsehprogramm wiederum ueber Satellit oder Kabel. Sehr hilfreich dabei war das VPS-Signal (ist auch beschrieben unter http://de.wikipedia.org/wiki/Video_Programming_System). Man programmiert eine Sendung auf dem Videorecorder und wenn Zeit ist, laeuft dieser automatisch los und nimmt die Sendung auf. Verschiebt sich das Programm wegen 6580 Minuten Ueberziehung von Wetten dass… oder sonstiges, strahlt der Sender freundlicherweise das VPS-Signal aus, was dem Videorecorder sagt: Der Film faengt nicht 22:50 Uhr an wie eingestellt sondern erst 23:20 Uhr und wenns los geht, dann geb ich Dir nochmal einen Funk. Natuerlich wurde der Film dann auch so lange aufgenommen, bis er zu Ende war und nicht die programmierte Endzeit herangerueckt ist. So hatte man trotz Programmverschiebung den kompletten Film gespeichert und konnte ihn (ausser bei Longplay LP) auf so ziemlich jeden Videorecorder vom VHS-System abspielen. Die Kassetten unterschieden sich bloss in Qualitaet und Beschichtung. Bandsalat hab ich so zum Beispiel noch nie gehabt.

Das war also frueher. Ueber 250 Videokassetten umfasste meine Sammlung, die ich unlaengst aufgeloest habe. Es gab dabei so geniale Geraete wie den Grundig GV 250, (hier ist noch ein Bild)

der ein eingebautes Archiviersystem hat und so grafisch Titel und Filmlaenge pro Kassette anzeigte und einen Film auch halbautomatisch aus dem Archiv heranspulte (klar, die Kassette musste man schon noch selbst einlegen).

Das war also frueher. Heute habe (oder hatte) ich schon “Next Generation DVD-Recorder” - meist mit eingebauter Festplatte. Bei den Festplatten ist schon mal das nervige, dass man die nicht beliebig austauschen kann, obwohl es sich um normale 80GB-IDE-Festplatten handelt. Dateisystem und Aufnahmeformat sind inkompatibel zu Windows- oder Unix-Betriebssystemen. Das Ueberspielen der Filme auf DVD (hab ich dann so hundertmal gemacht mit meiner VHS-Kassetten-Sammlung) funktioniert nur im Video-Mode (meist in Normalgeschwindigkeit) und produziert normal vob-Dateien. Ziemlich inkompatibel zu platzsparendenen MPEG-Format oder gar DivX. Oder wars jetzt MPEG2 und XVid? Das Problem hierbei ist, dass man gezwungen wird, sich mit diesem technischen Krimskrams ausnanderzusetzen - zumindest, wenn man vorhat, sich einen so abgespeicherten Film spaeter nochmal anzuschauen und das etwa noch auf einem anderen Geraet. Der Film bleibt dann einfach an der spanendsten Stelle stehen oder die DVD ist erst gar nicht lesbar. Ein Fall fuer die Gelbe Tonne, Entschuldigung, Restmuelltonne - Ordnung muss sein.

Ebenfalls von den spannenden Momenten der Unterhaltungsbranche ausgeblendet bleiben Sendungen, die man vom laufenden Fernsehprogramm auf den Festplattenrecorder aufnehmen moechte. Verschiebt sich die Sendung zu den programmierten Zeiten nur geringfuegig, interessiert das den DVD-Recorder den Fuchs - er nimmt genau den Zeitraum auf, zu dem er programmiert worden ist. Mein Geraet von Pioneer hat sogar einen “Programm-Guide”, in dem man per Knopfdruck Sendungen raussuchen und informieren kann. Das ganze ist schoen abgesaettigt mit Werbung fuer eine Fernsehzeitschrift, die man sich kaufen soll. Deswegen war zum Beispiel kein Platz mehr fuer RTL oder andere nebensaechliche Sender.

Da man also nicht in der Lage ist, ein Programm zur rechten Zeit auszustrahlen, kommt man selten in den Genuss einer vollstaendig aufgezeichneten Sendung auf den DVD-Recorder.

Ein Hoch auf solche Dienste wie http://www.onlinetvrecorder.com/ An der Legalitaet des Dienstes wird zwar gezweifelt, aber was soll verboten daran sein, das aktuelle Fernsehprogramm aufzunehmen und ins Internet zu stellen. Man kann ueber einen Account seine Sendungen programmieren und danach als Divx-Datei herunterladen und anschauen. Schlaue Leute schneiden dann die Werbung raus und stellen die Schnittlisten oeffentlich zur Verfuegung. Der naechste kann sich also die Arbeit sparen, laedt bloss noch den Film herunter, laesst die Schnittliste drueberlaufen und hat den Film als Divx ohne Werbung. Okay, es ist dann immer noch “nur der Film aus dem Fernsehen”, meist nur in Stereo in FSK16-Fassung, aber immerhin. Als naechstes versucht man uns einzureden, wir braeuchten BlueRay, um all die Filme, die wir von der VHS noch kennen, nochmal zu kaufen. Nee Nee, da bleib ich lieber beim Spinett.