Unlaengst war ich in Tokio, teils beruflich - teils privat. Dass es dort ein bischen anders wuerde, war mir schon klar. Aber was genau?
Erstmal die unglaubliche Zahl vom 9 Millionen Einwohnern. Das ist mal so die halbe Einwohnerzahl der DDR - alle in einer Stadt!
Nach der Ankunft nach einem sehr entspannten Flug fiel erstmal der moderne Flughafen Narita auf. Irgendwie scheint es ueberall auf der Welt schoene Flughaefen zu geben ausser in Deutschland. In Frankfurt sieht es immer aus, als sei die Zwischendecke im Terminal gerade runtergekommen. Das Terminal C in Tegel bestand aus einer Blechbaracke, vor der der Autoverkehr angehalten wurde, damit die Passagiere zu ihrem Flugzeug kommen. Aber weiter. Frueh um 9 Uhr war es relativ ruhig in Narita. Endlose Gaenge, fast keine Passagiere. Nur Personal, was einen gruesste - und sich … verbeugte?! Spaetestens jetzt war klar: irgendwas stimmt hier nicht!
Nach Erhalt des Koffers ging es zur Eisenbahnstation. Mit dem Narita-Express sollte es ins 60 km entfernte Tokio gehen. Ich hatte schon mitgekriegt, dass es ein paar mehr Eisenbahnunternehmen in Japan gibt und hatte Bedenken wegen den unterschiedlichen Ticketsystemen. Aber auch zum Fahrkartenverkauf gab es Personal, was englisch sprach und so erwarb ich eine Fahrkarte mit reserviertem Sitzplatz. Der Bahnsteig war schnell gefunden und es waren noch 10 Minuten Zeit. Auf dem Boden des Bahnsteigs waren ueberall Markierungen. Es zeigte den Standort des Wagens an und der Tueren. Der Zug kam natuerlich absolut puenktlich und, trara, Wagen 7 hielt genau an der Markierung fuer Wagen 7 auf dem Bahnsteigboden. Im Zug war es absolut sauber, aussen wie innen, die Koffer bekamen ein extra Fach am Tuereingang und von den bequemen Sitzen konnte man auf Display die Fahrstrecke, den naechsten Bahnhof und andere Informationen lesen. Andere Informationen waren zum Beispiel das verfuegbare WLAN im Zug und das Telefonieren nicht erlaubt ist. Wenn man das wirklich tun muss, soll man ausserhalb des Waggons gehen und dort seine Telefonate fuehren. Natuerlich gabs auch Personal im Zug, Schaffner. Der hatte ein kleines Display bei sich und kontrolierte nur bei den Fahrgaesten die Fahrkarte, die laut seinem Plan dort nicht hingehoerten. Ich hatte zum Beispiel eine Platzkarte fuer 11A, ich sass auf 11A und somit war alles in Ordnung. 13C war laut Plan wohl frei, da dass jemand in einem reservierungspflichtigen Zug, also wurde der kontrolliert. Mein Umsteigebahnhof war Shinagawa. Dort treffen sich Fernzuege (Shinkansen), Nahverkehr, verschiedene S-Bahn-Linien und U-Bahn. Im Bahnhof gibt es ueberall Fahrkartensperren und mein Problem war, dass ich nur eine Fahrkarte des Nakita-Express mit Shinagawa hatte, aber noch mit der Yamanote-Linie bis Gotanda moechte. Das verwirrende war bislang, dass im Reisefuehrer immer nur die U-Bahn-Linien als ÖPNV deklariert wurden und die S-Bahnen gar nicht im Plan waren. Dabei gibt es fuer die noch einen extra Plan. Der Wegweisung war leicht zu folgen. Yamanote-Linie ist hellgruen: hellgruene Wegmarkierungen, hellgruene Zuege, hellgruene Plaene. Andere S-Bahn-Linien haben ueberall andere Farben, sodass es auch fuer Sprachunkundige leicht ist, den Weg zu finden. Vom Nakita-Express kam man so sehr leicht auf den S-Bahnsteig.Etwas zu einfach. Was war mit Fahrkarte? Also Rolltreppe wieder hoch (links stehen, rechts gehen) und im Reisezentrum fuer Touristen nachgefragt. Kein Problem, hiess es, man wird quasi auf Vorschuss transportiert. Am Zielbahnhof ist wieder eine Fahrkartensperre vorm Ausgang. Dort steckt man seine Fahrkarte rein. Ist alles gut, wird der Fahrschein einbehalten und die Sperre oeffnet sich zum Durchgehen. Fehlt noch Geld, wird man zurueckgeschickt an einen Nachzahlautomaten und man kann den Fehlbetrag ausgleichen. Die Zuege fahren im 3-5 Minuten-Takt. Am Bahnsteig sind entlang des Gleises nochmal sperren, damit niemand reinfaellt. Der Zug haelt dann exakt mit den Tueren an den eingelassenen Schleusen und gleichzeitig oeffnet sich Schleuse und Zugtuer. Umgedreht genauso. Es ertoent das Abfahrtssignal, Schleussentuer schliesst, Zugtuer schliesst, Abfahrt.
Und ja, da fahren zeitweise ganz viel Leute mit. Aber egal wie voll der Zug ist, es wird nicht gedraengelt und wenn ein altes Muttchen kommt oder eine Mutter mit Kind, wird denen immer ein Platz angeboten. Es gibt auch spezielle Sitze, die eigentlich fuer diese Zielgruppen reserviert sind.
Mit einem kleinen Umweg war auch in Gotanda das Hotel gefunden. Das Personal begruesst einen wieder mit Verbeugung und bedauert, dass das Zimmer noch nicht frei ist. Beim Einkaufsbummel in den Geschaeften die selben Szenarien: Hoefliches Personal begruesst einen ueberall. Der Kassenbon wird einem mit 2 Haenden ueberreicht, als sei es ein diplomatisches Dokument. Auf der Strasse viele im Anzug unterwegs, wahrscheinlich ein Bueroviertel, wo ich gelandet bin. Niemand hat die Haende in den Taschen und so ist es mir bald peinlich, aehnliches zu tun. Rauchverbot auf der Strasse und in der Oeffentlichkeit. Fuer Raucher gibt es spezielle Aufenthaltsboxen oder Ecken. Dann liegt nirgends ein Fitzelchen Papier auf der Strasse. Es gibt aber auch keine Abfallkoerbe. Etwas ratlos stehe ich mit meiner leeren Kuchentuete rum, muss man wohl erstmal einpacken und mitnehmen. An jeder Ampel an der Kreuzung ist unter dem roten Licht ein Fortschrittsbalken dran. Er nimmer immer weiter ab, sobald sich die Umschaltphase auf gruen naehert. Einmal lockt mich ein besonders gutes Fotomotiv von der Mitte der Strasse. Und richtig: Ein Pfiff ertoent und lautes Rufen von einem Uniformierten, weil ich bei rot auf die (autofreie) Strasse gelaufen bin. Wahrscheinlich kein gutes Vorbild fuer die uniformierten Schueler, die gerade vorbeigehen. Peinlich beruehrt ziehe ich meiner Wege.
Zurueck in Deutschland faellt mir das alles auf, zurueckgekehrt aus dem Wunderland. Gelandet am Flughafen Tegel in einer Blechbaracke mit stolzer Bezeichnung “Terminal E”. Am Ausgang schwere Rauchschwaden der Nikotinsuechtigen, die gerade aus dem Fliegzeug gestolpert sind. Auf dem Bahnhof alles voller Dreck, vor paar Tagen scheint jemand auf die Treppe gekotzt zu haben. Was solls, das tritt sich wieder weg. Am Heimatbahnhof Brieselang alles voller Grafitti. Ein Mann pafft breit seine Zigarette, wird angesprochen von 2 Frauen, die sich belaestigt fuehlen: “Hier ist Rauchverbot!” Ach, was solls, wir sind doch 89 nicht auf die Strasse gegangen, um ums 25 Jahre spaeter das Rauchen verbieten zu lassen. Der Zug haelt wieder wie er will. Es kommt sowieso jeden Tag ein anderer Wagenzug fuer die 60 km lange Strecke, Alles stuerzt rein auf der Suche nach dem besten Platz. Das Telefon am Ohr oder als Zepter mit Kordel vor sich hertragend. Ich bin wieder zu Hause.